Dienstag, 15. Januar 2013

75.Gedicht-zur-Woche



Eine (die) wahre Turmgeschichte

Stand ein Pfarrer jüngst hoch oben,
auf der Kanzel rief zu Boden.
„Ach, ihr Leute, schauet nur,
unser Turm weicht ab der Spur!“
Und Tatsache, wer gut schaut,
dem es eisig, mulmig graut.
Läutet’s Glöckchen mit Verzagen,
nicht mehr wie in besten Tagen.
Ist der Ton längst etwas kläglich,
unaufhaltsam dennoch täglich.

„Nun, ihr Leute, höret zu,
so komm’ ich niemals zur Ruh’!
Brauch doch Kraft um euch zu seelen,
doch der Turm, er will mich quälen!“
In den Folgetagen dann,
zog es jeden in den Bann.
Eine Lösung musste her
und zwar schnell, es eilte sehr.

Was geschah, das glaubt man kaum,
nur wer’s sah, dem war’s kein Traum.
Bei all der Tummelei am Boden,
fühlte sich der Turm betrogen.
Lies alsbald sein Antlitz fallen,
wahrlich war’s ein lautes Schallen.
Eine düster, große Wolke,
mit viel Staub, das war die Folge.
Sieben Nächte und auch Tage,
hielt sie an, die Schwadenplage.
Erst am achten Tage dann,
zog sie fort mit ihrem Bann.

Ach herrje, jetzt wurd’s doch deutlich,
weg war er, der Turm von neulich.
Nur ein Häufchen ist geblieben,
von des Pfarrers Hilfehieben.
Doch auch der war völlig ratlos,
nicht nur das, auch wer er sprachlos.
Niemand ahnte das Entsetzen,
keiner wollt’ den Turm so hetzen.

Wieder wurde sich beraten,
viel zu groß der Seelenschaden.
Denn der Turm mit seinem Glöckchen,
war dann doch das schönste Fleckchen.
Und so kam es, wie es musste,
unabhängig allem Fruste.
Stein auf Stein wurde errichtet,
was sich heut’ gen Himmel schichtet.
Ein graziles Turmgeschoss,
aus der Hand der Leute floss.
Jeder packte sogleich an,
einig einem Volksgespann.

Und schau da, nach nicht viel Zeit,
wurd’ das Bauwerk eingeweiht.
Wieder stand der Pfarrer oben,
rief gar freudig dann gen Boden.
„Liebe Leute, schauet nur,
schief wie eh und Glücke pur!
Täglich soll das Glöckchen läuten
und uns bringen viele Freuden!
Nimmer möchte ich bedauern,
dass mich stören diese Mauern.
Jener Bau ist unser Leben,
wollen wir ihn ewig pflegen!“

Marc Benduhn

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